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Maldoror
Deutschland/England 2000 - 100 Min. - Farbe - Regie: Filmgruppe Chaos, Filmgruppe Abgedreht, Duncan Reekie, Kerri Sharp, u.a.
 
"Maldoror" ist kein normaler Film. Initiiert von den beiden Undergroundfilmteams 'Filmgruppe Chaos' aus Kiel und 'Exploding Cinema' aus London entstand ein 10eiliger Episodenfilm, der sich radikal von dem unterscheidet, was das Auge gewohnt ist zu sehen. Jedes Kapitel wurde von einem anderen Team gedreht, und dementsprechend vielfältig in Konzeption und Ausführung ist das Ergebnis. So sieht man mit Knetfiguren animierte Sequenzen zusammen mit Trash- und Splatterszenen und stilistisch an sowjewtische Filme aus den 30er Jahren erinnernde Bilder in einem Film, der nur durch die Rahmenhandlung zusammengehalten wird. Diese wird von einem Off-Sprecher vorgetragen, der auch direkt zu Beginn des Films warnt, daß nicht jeder von dieser "bitteren Frucht" probieren solle. "Maldoror" ist ein Film, auf dem man sich einlassen muß, doch dazu bereit mag er einen zu überwältigen.

Dieses cineastische Experiment ist die Verfilmung des Romans "Die Gesänge des Maldoror" von Comte des Lautremont aus dem Jahr 1868, welcher heutzutage in einem Atemzug mit de Sades "120 Tage von Sodom" oder Baudelaires "Blumen des Bösen" genannt wird, zu seiner Zeit aber nur im Untergrund zirkulierte, wohin er jetzt - der Kreis schließt sich - wieder zurückgekehrt ist.

Erzählt wird die Geschichte des gefallenen Engels Maldoror, der sich auf der Erde von der ihm verhaßten Menschheit umzingelt sieht. Sein Schatten streicht durch die Nacht, und tagsüber plagen ihn Phantome und die Erinnerung an unaussprechliche Verbrechen. Er ist auf der Suche nach Rache, einem Freund oder Ruhe, doch er findet nur Tod und Schrecken, und führt eine nicht enden wollende Schlacht gegen die menschliche Kreatur und Gott, der die Menschheit lieber nicht hätte erschaffen sollen.

Ursprünglich 12teilig (für die deutsche Kinofassung entfernte man zwei Episoden, die aber im Video, das an der Kinokasse erhältlich ist, wieder drin sind), kommt "Maldoror" als Blow-up in einer 16mm-Kopie ins Kino, und das ist der Ort, an dem man diesen Film sehen muß. Nur im Kino entfaltet der Film seinen Reiz, ist die Wirkung von Bildern, Texten und Musik nachvollziehbar. Die teilweise heftigen Episoden bedienen sich machmal eindeutig bei Vorbildern bekannter Regisseure (z.B. David Lynch), was genau dem poetologischen Programm Lautrements entspricht. "Maldoror" sieht man nicht mit dem Kopf, man sieht ihn mit dem restlichen Körper, und ähnlich der antiken Tragödie hat einen Katharsis-Effekt. Die Seele ist gereinigt. Ein Film, den man ob seiner stilistischen und konzeptionellen Einzigartigkeit gesehen haben sollte - wenn man sich traut.